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Diesesmal ganz andere Klänge in den heiligen Limmi-Hallen zu Rudersdorf. Ein Singersongwriter aus England, mit Blues und eine sehr ungewöhnlichen und unverkennbaren Stimme; mit ihm einer unserer Lieblingspianisten, dem Komponisten Emil Viklicky aus Tschechien. Wir können allen versprechen, dass dieser Abend nur wunderschöne, einschmeichelnde und auch eckig/selbstbewußte Musik mit sich bringt. Von Emil Viklicky werden wir einiges zu Herbie Hancock zu hören bekommen.

BLUES and SONGS Konzert von:

The Straight Street Session

Freitag den 18. April 2008; Beginn 20.00 Uhr
Gasthaus Schabhüttl in A-7571 Rudersdorf / Hauptstraße
Eintritt: 13,- | Jugendliche: 4,- | Mitglieder 9,-

www.jamesharries.com

MP3: James Harries & Emil Viklicky - Track 1 [3,4 MB]
MP3: James Harries & Emil Viklicky - Track 4 [4,3 MB]

Musiker
James Harries - voice, guit.
Petr Dvorsky - doublebass
Emil Viklicky - piano
special guest:
Istvan Grencso - sax


Dieser Abend Limmitationes birgt seine Besonderheiten, da Emil Viklicky speziell auf Herbie Hancock (wird am 12. April 69) bezug nehmen wird und weil b) noch mein absoluter Favorite am Saxophon aus dem Osten dazustoßen wird: Istvan Grencso und das Trio werden sozusagen im 3. Teil des Konzertes jammen.

Der 1974 in Bath geborene James Harries wird in englischen Insiderkreisen bereits als heiße Aktie gehandelt. Der Sänger und Gitarrist, der seit einigen Jahren in Prag seine Zelte aufgeschlagen hat, lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen und besticht mit seiner charismatischen BühennpräsenLeichtfüßig, verspielt und mit einer nicht nur stimmlichen Intensität, die niemanden im Publikum unberührt lässt, nimmt er die Zuhörer auf eine Berg und Talfahrt der Emotionen mit. Bisher hat Harries zwei Studioalben aufgenommen, Filmmusik komponiert (zB: für "Don't Pinch Me" erschienen bei Sony/BMG) und umfangreiche Tourneen quer durch Deutschland, Tschechien und Holland bestritten. Gerade in den Niederlanden erfreut sich Harries einer regen Bookingnachfrage, so trat er bereits beim jährlichen Kulturfestival zu Ehren der Königin auf. Mit dem James Harries Trio spielt er regelmäßige Konzertreihen in England.

Emil Viklicky:
Diesen Artikel finden Sie auch in Jazz Zeit Nr. 65. Es war anzunehmen, dass der 1948 geborene Pianist und Komponist Emil Viklicky, der sicher einer der prominentesten Vertreter der Jazzszene Prags ist, viel zu erzählen hat. Dass er dies auch gerne tut, und eigentlich wenige Stichworte braucht, erfuhren wir in einem durchaus witzigen Gespräch mit Emil Viklicky, in dem wir u.a. endlich erfuhren, wer die Filmmusik zu „Kondom des Grauens“ geschrieben hat. Das Gespräch führte Doris Schumacher

Wie war das in den 70er Jahren in Prag, wie konnte man sich als junger Jazzmusiker etablieren?
Ich begann schon Ende der 60er Jahre, damals war Jazz fantastisch, es war am Höhepunkt seiner Popularität. Ich begann mit Karel Velebny, dem „Vater“ des tschechischen Jazz, zu spielen, es machte mir Spaß und ich kümmerte mich um nichts. Später wurde es schwieriger durch den Kommunismus, aber ich finde dieses Thema schon so langweilig, seit zwanzig Jahren fragen mich westliche Journalisten wie es während des Kommunismus war. Es war schlimm, weil wir nicht reisen konnten, wenn wir eine Tournee machen wollten. Kommunismus ist Kommunismus. Und jetzt haben wir keinen Kommunismus, Gott sei Dank!

Sie lassen mährische Volksmelodien in ihre Musik einfließen...
Ja, das habe ich schon immer gemacht, auch auf meiner neuen CD, die ich gerade mit George Mraz aufgenommen habe. Im Jahr 2001 haben wir bereits „Morava“ gemacht, diese nun ist eine Fortsetzung, also „Morava 2“.
Alle mährischen Volkslieder auf dieser CD sind meine Bearbeitungen, ich kann sogar sagen, sie sind meine Kompositionen. Denn ich habe sie so sehr verändert, dass mich einige folkloristischen Fundamentalisten hassen würden.

Weil Sie sozusagen die Essenz aus den Melodien nehmen?
Ich ändere sie harmonisch, füge einen zweiten Teil dazu, eine neue Melodie oder ein Intro, aber die Essenz bleibt.
Auf der CD findet sich aber auch der dritte Satz von Leos Janáceks „Sinfonietta“. Ich kann sogar sagen, dass „Morava 2“ mehr von Janáceks Musik beeinflusst ist als von Folklore. Denn ich bin eigentlich kein folkloristischer Mensch, ich war nur immer an Janácek interessiert. Ich versuchte immer herauszufinden, was die Quelle dieses unglaublichen Dramas in Janáceks Musik ist. Schließlich stellte ich fest, dass er diese Volkslieder sammelte. Ich kam also auf einem anderen Weg zur Folklore. Janácek war mein erstes Idol und durch ihn entdeckte ich die Folklore. Im Kommunismus war die Folklore eine staatliche Angelegenheit, also hasste ich sie. Aber ich mochte Janácek und er mochte Folklore, also musste an ihr irgendetwas dran sein.

Wie kann man sich die Jazzszene heute in Prag vorstellen? Welche Auftrittsmöglichkeiten gibt es für Musiker?
Die Konzerte in der Prager Burg geben sehr wichtige Impulse für die Jazzszene.
Präsident Klaus interessiert sich sehr für Jazz, er hörte meinen früheren Bandleader Karel Velebny schon in den 60er Jahren. Können Sie sich vorstellen, dass George W. Bush jeden Monat ein Jazzkonzert im weißen Haus gibt? (lacht) Ich glaube Jimmy Carter hat einmal eines gemacht, aber George W. Bush würde das wahrscheinlich nicht tun.
Letztes Jahr spielte ich mit Franko Ambrosetti, dem Schweizer Trompeter, ein Konzert für Klaus. Und wir mussten vor zehn Uhr fertig sein, da der Präsident um Mitternacht zum Flugzeug nach China musste. Wir durften auf gar keinen Fall länger spielen, no way. Also spielten wir und es war so ein Erfolg, die Leute waren begeistert. Klaus blieb bis zwanzig nach zehn, stellen Sie sich das vor, er kümmerte sich überhaupt nicht darum, dass er zu spät zum Flugzeug kam. Das Flugzeug musste warten, weil Mr. President ein Jazzkonzert hörte!

Ein derartiges Interesse an Jazz von politischer Seite erleichtert sicherlich die ökonomische Situation von Musikern…
Ja, das ist sehr wichtig. Das nächste Konzert in der Burg spiele ich mit Marcus Printup, dem zweiten Trompeter aus Wynton Marsalis’ Band.
Als ich in Amerika war hat Wynton Marsalis mich und vier andere Musiker aus verschiedenen Ländern eingeladen, zur offiziellen Eröffnung des neuen Lincoln Centers in New York [Marsalis ist künstlerischer Leiter von Jazz at Lincoln Center, Anm.] ein Jazzmelodram zu schreiben. Ich sollte es nach Texten von Václav Havel komponieren, es heißt „The mystery of man“. Ich habe Havel drei- oder viermal getroffen, um die Texte auszuwählen. Es ist für zwei Schauspieler, einen Mann und eine Frau geschrieben, die Frau – sie stellte Havels Frau dar – sprach seine kompliziertesten, ernstesten Gedanken. Und für den Mann, im scharfen Kontrast dazu, nahm ich aus Havels Buch „Briefe an Olga“ seine alltäglichsten Aussagen heraus. Da saß also die Schauspielerin und sagte diese tiefen Gedanken von Václav Havel und [der Schauspieler, Anm.] Mario van Peebles kam in Jeans und Lederjacke und sagte, „schick’ mir 300 gute Zigaretten! Schick’ mir keine Zitronen!“

Sie waren ja auch Präsident der Tschechischen Jazz Gesellschaft, was war deren Aufgabe?
Wir machten Sommerworkshops in Frydlant, einem vergessenen Ort irgendwo im Norden von Böhmen, weil es dort sicherer war als in Prag. Karel Velebny hat sie seit den 80ern organisiert. Ich setzte seine Arbeit von 1989 bis 1999 fort. Nach dem Fall des Kommunismus wurde ich zum Präsidenten der tschechischen Jazz Society gewählt. Ich machte das vier oder fünf Jahre lang, dann übergab ich das einem Jüngeren.

Sie führen ein sehr vielfältiges musikalisches Leben, bewegen sich in verschiedensten Bereichen…
Ich komponierte Opern und Filmmusiken, auch zu deutschsprachigen Filmen, einer davon war „Das Kondom des Grauens“. Meine zweite Oper ist sehr interessant, sie heißt „Der Ackermann und der Tod“ und basiert auf einem Text aus dem 14. Jahrhundert, in dem es um eine philosophische Diskussion über Leben und Tod geht. Der Ackermann, ein junger Mann mit drei Kindern, verliert seine Frau. Daraufhin wird er sehr böse und sagt zum Tod: „Warum hast du mir meine Frau genommen?“ Und der Tod antwortet: „Ich nehme jeden, die Reichen wie die Armen.“ Für eine Oper ist das ein sehr guter Stoff, man hat den Kontrast zwischen dem sehr wütenden Ackermann, einem Tenor, er singt atonal. Der Tod hingegen ist sehr schön, ein Mezzosopran. Die Oper wurde im Deutschen Theater Berlin gespielt und in der Staatsoper unter den Linden. Ich organisiere gerade eine Aufführung in Amerika, vielleicht kann ich auch im Wiener Konzerthaus anfragen… (lacht) Naja, ich glaube wohl eher nicht.



James Harries (by Joe Streibl)